Endspiel

Beckett feat. Rimbaud

Eigenproduktion frei nach Samuel Beckett und Arthur Rimbaud

Schule: Gymnasium Stein
Leitung: Marcus Gangloff
Aufführung: 27. Juli 2010, 9.00 Uhr, Bürgerhaus

 

„Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar!“ Diese Ansicht Paul Klees ist sicherlich nicht nur für die Malerei gültig – sie ist auch Wesensart des Theaters im Allgemeinen und insbesondere des so genannten ‚Absurden Theaters’, das sich in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts als Sammelbegriff für eine vorwiegend in Frankreich aufkommende Art von Dramen mit grotesk-komischen sowie irrealen Szenen bildete und regelmäßig Gegenstand der Arbeit unserer Theatergruppe ist: 2001 Von Lampions und Knäckenten (Collage mit Szenen des Absurden Theaters), 2006 Die Nashörner von Eugène Ionesco, 2007 Der Absurlute Wahrsinn (Szenen von Ionesco, Arrabal und Tardieu).

Das ‚Sichtbarmachen’ war unser Hauptthema auch in unserem aktuellen Theaterprojekt 2010: Was befindet sich hinter dem Schein? Was hinter der intakten Fassade? Mit welcher Tragik sind wir regelmäßig konfrontiert? Aber auch: Worin besteht die Komik hinter dem Tragischen? Wo ist die Hoffnung, die man im Dickicht einer Komplikation nur suchen muss? Im Mittelpunkt unserer theatralen Arbeit steht die Bühnenpräsenz der schauspielenden Schüler und Schülerinnen. Wir wollen lernen, uns nicht an Text, Kleidung oder Kulissen ‚festzuhalten’, sondern den Moment mit den Zuschauern zu genießen und „im Stande zu sein“, alleine die leere Bühne zu füllen und dabei keine Scheu zu haben, auch komödiantisch zu agieren. Daher verzichten wir weitgehend auf Requisiten und konzentrieren uns auf den jeweiligen Schauspieler und die Interaktion untereinander.

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Theaterkritik

Am Ende mit Beckett

„Ende… es ist zu Ende…“ ist das Motiv von Beckett´s „Endspiel“. Ausgeschmückt von Texten Rimbauds, wurde im Bürgerhaus ein schwieriges Stück gegeben.

Einem Trend dieser Theatertage zum bedeutungsschweren Tiefsinn folgend, wurden die ersten und letzten Dinge wie Leiden, Gott und Tod so abgehandelt, dass es auch einmal vergnüglich, gar so witzig geriet und im Publikum Lacher aufkamen. So blieb das Tiefe immer in der Schwebe, auch beim Gebet zu einem Gott, an den man nicht glaubt.

Drei alte Leuten wollen ihr Leben nur noch zu Ende bringen und haben sich damit abgefunden, dass die beste Zeit des Lebens bei ihnen schon seit langem vorüber ist. Sie verbringen ihre Zeit im Sitzen und beklagen die Zeit, bedauern, dass es keine Natur, kaum noch Tiere und fast gar keine junge Menschen mehr gibt. Sogar Gott hat diese Welt verlassen.

Unter – wieder einmal- fulminant und perfekt eingesetzter Beleuchtungs- und Tontechnik (hier hat die Crew des COG dem Fortschritt wie selbstverständlich Bahn geschaffen!) wurde das beeindruckend präzise Spiel der beiden Hauptdarsteller, ergänzt von ihren beinlosen Mitmenschen im Einkaufswagen, von einem schwarz gekleideten Stimmen- und Pantomimen-Chor eingerahmt. Der schwelgte in den schönen, todesssüchtigen, in die Headsets gesprochenen Versen Rimbauds, unterlegt, manchmal überlagert von Songeinspielungen, die man nicht immer mit dem gesprochenen Text koordinieren konnte. Clov spricht aus seiner Rollstuhl-Gefangenschaft heraus (schöner Regieeinfall!) ausdrucksvoll und klar („Du bist entlassen“), sein Versorger Hamm umtanzt ihn in (endlich einmal) präziser, musikalisch gekonnter Lebendigkeit. In ihrem Gegensatz sind sie aufeinander angewiesen, sollten sich entsprechen, was jedoch die Rätsel des Textes nicht auflöst. Muss es ja auch nicht, quia absurdum…
Denn das Absurde muss sich nicht mitteilen. Unter der Oberfläche tiefster Worte ist nur das Nichts zu finden. So wundert sich das Publikum kaum über beinlose Wesen, die aus ihren Einkaufswägen ragend mitreden, über expressiv pantomimische Gruppenbilder, die den Crov umstehen, über die musikalischen Zuspielungen und das trostlos karge Schwarz von Kostümen und Stimmung.
Kräftiger, kurzer Beifall für eine gedankenvolle, etwas anstrengende Inszenierung, die den Zuschauer mit seinen Gedanken allein lässt.