frei nach Jean Tardieu
Schule: | Gymnasium bei St. Stephan Augsburg |
Gruppe: | Unter- und Mittelstufentheater |
Leitung: | Elke Sandler |
Aufführung: | 26. Juli 2010, 16:00 Uhr, Bürgerhaus |
Beschreibung:
„Komisches Ballett ohne Tanz und ohne Musik“ nannte Jean Tardieu sein Stück „Die Liebenden in der U-Bahn“. Die 22 Spieler/innen der Klassen 7 bis 10 machen aus dem Kommen und Gehen in der U-Bahn einen Tanz von Sehnsucht, Verlorensein und Ahnungen des Glücks. Sie zeigen Menschen, die zusammen sind und doch allein, jeder auf der Suche nach dem Glück vielleicht oder nur nach einer kurzen Begegnung, bevor sie sich verlieren, trennen und jeder wieder alleine weitergeht. Es wird auch geredet. Man versucht sich mitzuteilen. Man macht sich wichtig. Gesprochen werden einige Szenen von Tardieu sowie eigene Texte und Texte anderer Autoren.
Tardieu bezeichnete seine Theaterstücke auch als „Gedichte zum Spielen“ (Poèmes à jouer). Aus Tardieus U-Bahn-Stück spielen wir die Liebesgedichte, die wie ein roter Faden die Handlung tragen. Denn das Hin und Her in der U-Bahn, die tanzartige Bewegung, der rasche Wechsel dienen als Hintergrund, vor dem sich das Liebespaar Er und Sie immer wieder abhebt. Ihrem ersten Liebesgedicht „Eins, zwei, drei Liebe. Eins, zwei, drei Herz …“ folgt die Erkenntnis „Ich war nichts, du bist gekommen, ich bin“, doch danach die erste Auseinandersetzung „Du bist nicht mehr ich“ und eine Trennung…
Theaterkritik:
Die U-Bahn als Ort für einsame Menschen ließ die Mittelstufen-Theatergruppe des Augsburger Gymnasiums bei St. Stefan am staunenden Publikum vorbeifahren.
Bunt geht es zu in der Show. Mädchen in Leggings, farblich abgestimmten Schnürsenkeln dominieren das karge Bühnenbild, die Jungs in ihren braven Shorts kommen eher grau daher. Dialoge in Abzählreimen spielen die Textvorlage von Jean Tardieu nach, zuweilen begleitet von einer Geigerin. Auch eine hingehauchte Gesangseinlage erfreut. Abstrakte Bilder von Gruppen sind zu sehen, die von „Glück“ reden, von Kosmetik und Schule, aus dem Lateinbuch zitieren, sich als Models vor den Spiegeln räkeln, gern die Haare wild werfen dabei. Nebenbei in Gewalt ausbrechen.
Tiefsinn wird hingesagt, in Deklinationen des Seins: „Ich bin, du bist… ich bin du…“, weggeworfen in flüchtigen Dialogen, die um das Du, das Einsame, den unerreichbaren Anderen kreisen. Verträumte Paare wiegen sich zum Gesang, im Nonsens des Alltags löst sich jeder Versuch, eine ernsthafte Beziehung aufzubauen.
Autisten tragen Sonnenbrille und Ohrhörer, dagegen schreit man vergebens an. Verständigung – Liebe! – scheitert an hingeworfenen Sätzen, Sinn löst sich sofort auf: „Worte sind Worte“. Nicht mehr, Bedeutung ist nur Oberfläche, darunter ist nichts.
Die U-Bahn fährt zur nächsten Station, eine Erzählung wird daraus nicht, so ist eben das Leben, so ist sie, die U-Bahn.
Nur ein Gleichnis. Fragen? Keine.
Das sparsame Bühnenbild konnten die Schauspieler mit wenigen Requisiten aufhübschen. Insgesamt ein sehenswertes Theaterstück. Längerer Beifall, gekonnte Verneigungen.