Mutter Kuhranch

Eigenproduktion nach Bertolt Brecht mit Texten von Anton Tschechov

Schule: Carl-Orff-Gymnasium Unterschleißheim
Gruppe: Grundkurs „Dramatisches Gestalten“
Leitung: Michael Blum
Aufführung: 28. Juli 2010, 12.30 Uhr, COG

Theaterkritik:

Der Traum des literarischen Zappers
Einen umjubelten Schlusspunkt dieser erfolgreichen Theatertage setzte die Theatertruppe des gastgebenden Carl-Orff-Gymnasiums.

Die Inszenierung von Michael Blum, zugleich Organisator dieses gelungenen, stimmungsvollen und stoffdichten Treffens der Besten, zeigte in konzentrierter Form, was Schüler von ihren Theater erwarten: Witz und Humor, Lust am Spiel, Farbe, Show, eine nachvollziehbare Handlung („Drama“!) und eine kräftige Ansprache des Publikums – Mitgerissen war es.

Dabei muss es an Belehrung nicht fehlen: Die Dramentheorien von Lacan, Handke, Brecht und Aristoteles – letzterer siegte zum Entzücken den Publikums mit 2:0 – treiben die Handlung voran, motivieren die Spieler, kombinieren Fragmente aus der „Mutter Courage“, der Westernserie „Bonanza“ und Tschechows „Drei Schwestern“, von der Fernbedienung immer wieder zu Szenen von Krieg (Totschießen) und Frieden (Liebe) zusammengezappt und aus der Perspektive von neunmalklugen, rührseligen Couch-Tomatoes kommentiert. Nebenbei werden Handlungsstränge so ineinandergeschoben, dass sie, gerade noch erkennbar, sich gegenseitig erklären und so, aus der Sicht des Zappers, zu einem spektakulären Ganzen verschmelzen. So kommt es, dass Little Joe eine von Tschechows „Schwestern“ rettet, sein Vater mit der anderen im Planwagen der Courage kopuliert. Ein spekatkulärer Gag.

Aus diesen Strukturen entsteht ein Stück, das zusammengehalten wird von einer Idee – der Kritik am bewusstlosen Konsum von Medien, aber auch von leeren poetischen Theorien, wie man sie an Schule lernt. Regisseur Blum ist kein Germanist, das merkt man, wenn er Zeiten, Räume und Menschen, das Vaterunser und Westernhelden, nonchalant nebeneinander stellt. Alles ist gleich viel.

Wichtig ist am Ende nur das Theater. Und wenn die Fernbedienung zum Herrschaftsinstrument mutiert und das Bühnengeschehen dirigiert – noch mehr Theater!
Die Bühnenbild kommt mit wenigen Requisiten aus: Der Couch, dem Planwagen, einem Sessel. Dazwischen wird geschossen, geritten und deklamiert, was das Zeug hält, die Soldaten irren durch Nebel und Prärie, retten Frauen und essen Eiersalat. Was gilt, ist das Spiel. So ist der Mensch.
Im krachenden Showdown findet das Drama Ende und Höhepunkt: Alle sind tot, unser Mitleid hält sich Grenzen, man trampelt und johlt und freut sich mit den Schauspielern über eine gelungene Aufführung, ein wundervolles Fest, ein sensationelles Festival, eine gute Heimfahrt und erholsame Ferien.

Hier der Film: