Wie sich diese Flüchtlinge mit uns schon wieder aufführen …
Am Donnerstag, den 1. Juni, um 19.00 Uhr im Sehbehindertenzentrum Unterschleißheim sowie am Freitag, den 2. Juni, um 15.45 Uhr im Rahmen des „Tags der Offenen Tür“ Heiner Janik Haus (Jugendbegegnungsstätte am Tower) in Oberschleißheim stellten die 23 Jugendlichen aus Deutschland, Afghanistan und Äthiopien 45 Minuten lang Fragen über Fragen, auf Deutsch, Englisch, Dari, Farsi, Äthiopisch und Russisch.
Natürlich kennen die elf Schülerinnen und Schüler des Oberstufentheaterkurses am Carl-Orff-Gymnasiums Unterschleißheim ihre Heimat. Aber kennen die jungen Gymnasiasten auch die „Heimaten“ ihrer zwölf Partnerinnen und Partner aus dem Future Campus Oberschleißheim, mit denen sie seit neun Monaten Theater spielen?
Natürlich nicht, wie auch? Manch einer der jungen Geflüchteten hat sie selbst noch nie gesehen, denn schon die Eltern mussten sie verlassen.
Was bedeutet dann Heimat überhaupt?
Kann ein Land Heimat sein, das man nie gesehen hat? Kann Familie Heimat bieten, wenn sie „nur“ noch einen alleinerziehenden Elternteil hat? Wie klingt Heimat, wenn Eltern und Kinder unterschiedliche Sprachen sprechen?
Fragen über Fragen.
Fragen provozieren, sie heben die Stimme, sie nerven bisweilen, manchmal überraschen sie, in der Schule bringen Fragen keine guten Noten, nur die Antworten, im Leben aber öffnen Fragen Augen, Ohren und Türen.
Sind Sie sicher, dass Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert? Kennen Sie Angst? Wenn sie alles Lachen abziehen, das auf Kosten von Dritten geht: finden Sie, dass Sie oft Humor haben? Sind Sie schon einmal von einem Baum gefallen?
Gesetzt den Fall, Sie wären in der Heimat verhasst: könnten Sie deswegen bestreiten, dass es Ihre Heimat ist? Möchten Sie lieber die Welt retten oder einen einzelnen?
Und: Kann ich Ihre Telefonnummer haben?
Bitte erwarten Sie keine Antworten.
Fotos von Sandra Butscher, SBZ
Münchner Merkur, 16.06.2017