Mutter Kuhranch

Theatertreffen der Jugend in Berlin

Aus 116 eingesandten Bewerbungen hat die Jury des Theatertreffens der Jugend acht herausragende Produktionen aus dem ganzen Bundesgebiet nach Berlin eingeladen. Dazu gehört auch der ehemalige Grundkurs „Dramatisches Gestalten“. Die Theatergruppe zeigte ihre Eigenproduktion Mutter Kuhranch.

Beeindruckende neun Tage verbrachte die Theatergruppe um „Mutter Kuhranch“ Ende Mai bzw. Anfang Juni in Berlin. 25 (ehemalige) SchülerInnen tauchten in eine eigene Welt: Großes Theater, riesige Bühne, unglaubliche Technik, (semi-)professionelle Jugendclubs, postmoderne Kunstformen, kritisches Publikum, pulsierende Metropole, ein fremder Kulturraum: Berlin und sein 32. Theatertreffen der Jugend! Die Jury bescheinigte uns: Ja, diese Produktion des Carl-Orff-Gymnasiums ist „beispielhaft und herausragend“.

berlin

„Mutter Kuhranch“ war ausgewählt worden für das Theatertreffen der Jugend, das renommierteste Jugendtheaterfestival im deutschsprachigen Raum. Aus 116 Bewerbungen waren acht verblieben, aus Bayern schaffte es keine weitere Produktion, nur drei insgesamt, waren schulische Theatergruppen, neben uns nur ein weiteres Gymnasium. Das Deutsche Theater Berlin entsandte ein gecastetes Ensemble mit 25000 Euro Projektetat, das Ballhaus Berlin hatte gar acht Betreuer, von Kostüm bis Regieassistenz.
Ein hochkarätiges Festival also: täglich ein Stück, davor eine einstündige (!) Besprechung des Stücks vom Vortag sowie Workshops und Fachtagungen. Das alles samt Anfahrt, Unterkunft und Verpflegung war für die acht Preisträger kostenlos (und fortan genießt jeder Spieler als ehemaliger Preisträger freien Eintritt auf diesem Festival), der Weg nach Berlin hatte uns allerdings Schweiß und Tränen gekostet. 20 Monate hatte dieser Weg gedauert, wir hatten „Mutter Kuhranch“ viermal im Jugendzentrum Unterschleißheim und einmal auf den Theatertagen der bayerischen Gymnasien gespielt, wir hatten uns mit DVD bei der Jury in Berlin beworben, das Stück dafür im November neu aufgelegt, sechs Rollen umbesetzt und schließlich waren wir 12 Monate nach der eigentlichen Premiere zum Shoot-Out bestellt: Die Juroren hatten 20 Bewerber vorausgewählt, die nun ihr Stück noch einmal der Jury live präsentieren mussten. Was für ein brutales Auswahlverfahren! Keines der Stücke „meiner“ letzten zehn Jahre war so lange gespielt worden: ein Kraftakt!
Das Festival selbst übertraf schließlich alle Erwartungen: Die Qualität der Stücke war sagenhaft. Die Bandbreite reichte von Video-Installationskunst auf der Bühne über biografisches Theater und Sprechtheater bis zu wahrhaftigen Show-Ereignissen. Das frisch renovierte Haus der Berliner Festspiele bot für jeden jegliche technische Finesse und stand jeder Gruppe mit ca. fünf professionellen Bühnentechnikern jeweils einen ganzen Tag zur Verfügung. Auch die Qualität der Stückbesprechungen und Workshops, auf dem kleineren bayerischen Pendant aus organisatorischen und finanziellen Gründen oft eine Schwachstelle, war überragend. Gratis-Fassbrause und Freibier rundeten das Bild perfekt ab.
Für mich war Berlin in vielerlei Hinsicht eine Lehrstunde:
Die Anregungen aus den Spielleiterworkshops und v.a. aus den gesehenen Stücken, aber auch aus den Besprechungen sind natürlich unschätzbare Fundgruben. Gerade nach zehn Jahren Output mit zum Teil zwei oder drei Stücken pro Schuljahr bin ich doch sehr froh für hochwertigen, ach so seltenen Input.
Schwieriger aber war die teilweise sehr harte Kritik, die bei derartigen Stückbesprechungen neben der positiven Kritik – die ich an dieser Stelle weglasse, denn aus der negativen habe ich doch mehr gelernt – nicht ausbleibt: das Stück habe keinen Mehrwert gehabt, seine Intention sei nicht klar geworden, es sei nicht wirklich witzig gewesen, sein Anarchismus sei leer gelaufen, unser Schauspiel für eine große Bühne nicht geeignet.
Natürlich kann man das abwehren mit Reflexen wie ‚die haben das nicht verstanden’, oder ,die wollten das gar nicht verstehen’. Wahrscheinlich entbehren auch beide Reflexe nicht der Wahrheit und der Leiter der Jury, Martin Frank, unterstützte die These, denn für ihn lag das „Problem“ allein darin, dass die Spieler aus einem anderen Kulturraum stammen als die Zuschauer!
Als Selbstreflex habe ich allerdings die Einsicht gewonnen, dass „wir“ im bundesdeutschen Vergleich einfach echte Exoten sind: harmlos und textreu, irgendwie ab vom Schuss und trotzdem recht selbstzufrieden.
Unsere Stärken wurden beileibe auch klar – mir zumindest: Respekt vor literarischen Texten, Spaß am kleinen Unfug und pädagogischer Erfolg: Unser Stück war das Ergebnis eines gemeinsamen Wegs ohne Vorgabe und doch so vielen Lernerfolgen, die über die Klett-Sekundärliteratur hinausgehen (wohlgemerkt: aus dieser heraus darüber hinaus!). Das biografische Theater kann sich gerade da sicher eine Scheibe abschneiden. Beispielsweise gab in Berlin in der Stückbesprechung eines Stücks über Autobiografien von Kriegsflüchtlingen der künstlerische Leiter Film geradewegs zu, dass es bei ihnen keinerlei pädagogisch-psychologische Betreuung oder Aufarbeitung gegeben habe, lediglich ein Casting, wer vor der Kamera würde bestehen können.
Wenn auch die pädagogische Arbeit vor, in und hinter diesem Festival von manchem verwöhnten Schüler als selbstverständlich erachtet wird, so breche ich hier doch gerne eine Lanze für den „normalen“ COG-Theater-Schüler: Er ist sehr höflich, auf persönlicher Ebene stets erreichbar und auch bei Freibier nicht ausfällig, er ist interessiert, oft genug kreativ, stets aufgeschlossen und v.a. vertraut er seinem Lehrer über alle Maßen. Doch am Gespür für den eröffneten Kulturraum mangelt es eben.
Martin Frank verabschiedete uns in Berlin mit den Worten: Ihr seid Preisträger und ihr müsst dranbleiben an diesem Festival! Dafür danke ich ihm, auch wenn ich unsicher bin, was künftig noch geht und was ich dann künftig kann und will.

Michael Blum

 

Hier der Film:

 

 

Auf den Theatertagen 2010

Auf den Theatertagen der bayerischen Gymnasien in Unterschleißheim wurde „Mutter Kuhranch“ als Abschlussstück gezeigt.

Aufführung im Jugendzentrum Gleis 1

PlakatWas haben Mutter Courage und Ben Cartwright gemeinsam?

„Im Original“ haben beide jeweils drei Kinder und in beiden Patchwork-Familien stammen die Kinder von drei verschiedenen Partner/-innen! Gewalt wird innerhalb weniger Szenen völlig unterschiedlich bewertet! Und – Achtung – Viehdiebstahl spielt jeweils eine nicht unerhebliche Rolle! In der COG-Bearbeitung teilen sich Mutter Courage und Ben Cartwright darüber hinaus den Koch, das Böse und den Planwagen! Ach ja, und das Mitleid. Aber das hört Brecht ja nicht wirklich gerne …
In einem riskanten Vergleich unterstellten wir dem Fernsehen Weltverbesserungspotential und dem epischen Theater Katharsisgefahr. Dabei griffen wir auf Tschechows „Drei Schwestern“ sowie Peter Handkes Äußerungen zum Epischen Theater zurück.

Impressionen:

Presseberichte:

Münchner Merkur, 29.03.2010
Pressebericht
Süddeutsche Zeitung, 27.03.2010
Pressebericht

Video-Clips: